24. Dezember 2025
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Fundtier gefunden – und dann?

Ein konkreter Fall zeigt, wo Theorie und Praxis auseinandergehen

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Der Fund der dreibeinigen Pitbull-Mischlingshündin „Koka" am Sonntag, 23. November, hat in Castrop-Rauxel eine intensive Diskussion über Zuständigkeiten und Abläufe bei der Aufnahme von Fundtieren ausgelöst. Eine engagierte Bürgerin kümmerte sich über Stunden hinweg um den Hund – während Polizei, Feuerwehr, Ordnungsamt und Tierheim zunächst keine Lösung anbieten konnten. Erst am Folgetag konnte die Hündin über den regulären Weg an das Tierheim übergeben werden, wo sich kurz darauf auch die Halterin meldete. Nachdem ein anderes lokales Informationsblatt den Fall öffentlich machte, fragte CASNews bei der Stadt nach den Hintergründen. Die Verwaltung bestätigt zentrale Punkte, lässt aber weiterhin entscheidende strukturelle Fragen offen.


Tierheim ist zur Aufnahme verpflichtet


In ihrer Antwort an CASNews stellt die Stadtverwaltung klar: Der Tierschutzverein Castrop-Rauxel e. V., der das Tierheim am Deininghauser Weg betreibt, ist verpflichtet, Fundtiere aufzunehmen. Damit bestätigt die Stadt erstmals ausdrücklich, dass das Tierheim als beauftragte Einrichtung der Stadt grundsätzlich zur Annahme von Fundtieren verpflichtet ist.


Gleichzeitig hatte das Tierheim im konkreten Fall erklärt, die Hündin ohne vorherige Beauftragung über die Leitstelle oder das Ordnungsamt nicht aufnehmen zu dürfen. Eine rechtliche Grundlage für die Ablehnung ohne diesen formalen Weg nennt die Stadt jedoch nicht. Stattdessen verweist sie auf interne Abrechnungsfragen – etwa darauf, dass über den formalen Weg sichergestellt werde, dass ein Tier als Fundtier und nicht als Abgabetier verbucht wird. Der Unterschied ist relevant: Bei Fundtieren trägt die Stadt die Kosten, bei Abgabetieren hingegen der abgebende Halter. Der Vorsitzende des Tierschutzvereins, Johannes Beisenherz, verteidigte das Vorgehen der Tierheimleitung gegenüber einem anderen lokalen Medium: Man müsse vermeiden, dass vermeintliche Finder ihre eigenen Tiere am Tierheim abgeben – solche Versuche habe es bereits gegeben. Darum müsse die Aufnahme den geregelten Weg über Leitstelle und Ordnungsamt gehen.


Für Bürger bleibt diese Unterscheidung im Ernstfall dennoch problematisch: Die Pflicht zur Aufnahme eines Fundtiers besteht unabhängig davon, wie Zuständigkeiten oder Kosten später verwaltungsintern geklärt werden. Wer ein Tier findet und helfen will, steht vor einem System, das seine internen Absicherungen über die unmittelbare Versorgung des Tieres stellt.


Keine Notfallregelung vorgesehen


Besonders brisant ist eine weitere Aussage der Stadt: Eine verbindliche Ersatz- oder Notfallregelung für den Fall, dass die beauftragte Tierrettung nicht erreichbar ist, existiert nicht und ist vertraglich auch nicht vorgesehen. Die Tierrettung ist ein vom Tierschutzverein beauftragter Dienst, der für die Abholung und den Transport von Fundtieren zuständig ist. Sie wird über die Leitstelle oder das Ordnungsamt aktiviert und bringt die Tiere anschließend ins Tierheim.


Damit bestätigt die Verwaltung, dass das gesamte System faktisch von der Erreichbarkeit der Tierrettung abhängt. Fällt diese – wie im Fall „Koka" über mehrere Stunden – aus, kommt es zwangsläufig zu Verzögerungen. Diese seien, so die Stadt, grundsätzlich nicht vollständig auszuschließen.


Wachsende Aufgaben – begrenzte personelle Ressourcen


Hinzu kommt, dass der Tierschutzverein Castrop-Rauxel e. V. nicht nur für die Stadt Castrop-Rauxel tätig ist. Bekanntermaßen betreut der Verein auch die Fundtieraufnahme für Waltrop und Herten. Erst kürzlich ist zudem eine neue vertragliche Bindung mit der Stadt Oer-Erkenschwick hinzugekommen, wodurch der Verein dort ebenfalls städtische Aufgaben im Bereich der Fundtierbetreuung übernimmt.


Nach vorliegenden Informationen stehen für die eigentliche Tierrettung jedoch im Kern lediglich ein oder zwei Personen zur Verfügung, die die Abholung und den Transport von Fundtieren tatsächlich übernehmen können. Eine formalisierte Vertretungs- oder Mehrfachabsicherung ist bislang nicht vorgesehen.


Feuerwehr, Polizei und Ordnungsamt ohne operative Rolle


Feuerwehr und Polizei hatten der Finderin mitgeteilt, nicht zuständig und nicht für den Transport oder die Sicherstellung von Fundtieren ausgerüstet zu sein. Diese Auskunft bestätigt die Stadt ausdrücklich. Auch der Bereitschaftsdienst des Ordnungsamtes hatte nach Angaben der Verwaltung keinen direkten Kontakt zur Finderin.


Zwar betont die Stadt, die Verantwortung für Fundtiere liege grundsätzlich bei ihr selbst. Praktisch werde diese Aufgabe jedoch vollständig an den Tierschutzverein und die von ihm beauftragte Tierrettung delegiert. Eine klare Regelung, wer im Störfall kurzfristig einspringt, existiert nicht.


Technische Nachbesserung statt struktureller Änderung


Als Konsequenz aus dem Vorfall kündigte der Tierschutzverein an, die technische Kommunikation der Tierrettung zu verbessern. Auf Nachfrage von CASNews machte die Stadt jedoch keine konkreten Angaben zu weitergehenden Maßnahmen – etwa zu zusätzlichen Rufnummern, Vertretungsregelungen oder verbindlichen Reaktionszeiten.


Die Verwaltung erklärte zudem, die Umsetzung der Vertragsinhalte liege beim Verein. Mängeln werde man nachgehen, wenn sie bekannt würden – ein präventives Kontroll- oder Überwachungssystem ist bislang nicht vorgesehen.


Engagierte Bürgerin schließt Versorgungslücke


Die Stadt dankt der Finderin ausdrücklich für ihr engagiertes Handeln, weist aber zugleich darauf hin, dass die eigene Sicherheit stets Priorität habe. Diese Mahnung wirft allerdings eine unbequeme Frage auf: Ohne das private Engagement der Finderin wäre die Hündin in einer unklaren Lage geblieben – und das städtische System hätte keine Alternative geboten.


Fazit: Pflicht bestätigt – strukturelles Risiko bleibt


Der Fall „Koka" zeigt kein individuelles Versagen einzelner Mitarbeiter, sondern eine strukturelle Schwäche im bestehenden System der Fundtierbetreuung. Die Stadt bestätigt zwar die Aufnahmepflicht des Tierheims, akzeptiert aber gleichzeitig, dass es bei Ausfällen der Tierrettung keine verbindliche Ausweichlösung gibt.


Mit der Ausweitung der Zuständigkeiten auf weitere Städte steigt die Verantwortung des Tierschutzvereins weiter – ohne dass bislang erkennbar ist, dass die personellen und organisatorischen Strukturen entsprechend abgesichert wurden. Ob die angekündigten technischen Verbesserungen ausreichen, um vergleichbare Situationen künftig zu vermeiden, bleibt offen.


  • Quelle(n): CASNews

Autor

Nils Bettinger

Nils Bettinger

Gründer und Redaktionsleiter.
Hält den Kopf für alles hin.